Siegfried Dunbar
W E Y E R

aus:
John Provan: LZ 127. Graf Zeppelin kehrt zurück. Heidelberg 2007, S. 162

EIN ALBTRAUM FÜR ECKENER

Hugo Eckener weilte in einem Grazer Hotel,
wo er einen Vortrag gehalten hatte.
Mitten in der Nacht zwischen 2 und 3 Uhr
holte das Klingeln des Telefons den Mann
aus dem Schlaf. Am anderen Ende der Leitung
war sein guter Bekannter (Siegfried Dunbar) Weyer, damals
Berliner Korrespondent der New York
Times. Weyer kam ohne Umschweife auf den
Punkt. Er halte es für notwendig, Eckener
sofort darüber zu informieren, dass er
„soeben Meldung von der New Yorker Redak-
tion bekommen habe. Demnach ist das Luft-
schiff Hindenburg gestern Abend über dem
Landeplatz Lakehurst explodiert." [1937]

Dieser Korrespondent Weyer wird auch in dem Buch von Ernst A. Lehmann und Leonhard Adelt erwähnt. 1924 versuchte er demnach, als blinder Passagier mit an Bord des LZ 126 zu gehen:

Siegfried Dunbar Weyer,
Korrespondent des Internationalen Newsreel Service
... Das sehnlichste Verlangen eines jeden Pressemannes ging begreiflicherweise dahin, an der Überführungsfahrt des LZ 126 teilzunehmen. Der Korrespondent Weyer von International News Service und der Filmoperateur Varges von International Newsreel bestürmten Dr. Eckener, sie mitfahren zu lassen. ... und Zivilisten hatten nichts auf ihm zu suchen.

Über den Probefahrten und Vorbereitungen war es Oktober geworden und somit höchste Zeit, die Ausreise nach den Vereinigten Staaten anzutreten, wollten wir nicht gewärtigen, in schwere Herbststürme und Nebel hineinzukommen. Wir beluden das Schiff mit 30 Tonnen Benzin, was bei vollaufenden Motoren für 70, bei verminderter Maschinenkraft für gut 100 Betriebsstunden reichte; dazu kamen zwei Tonnen Öl und 1500 Kilo Wasserbalast. Die Besatzung war 28 Mann stark; nicht weniger als fünf von uns besaßen das Kapitänspatent als Luftschifführer, nämlich außer dem Kommandanten Dr. Eckener und mir als seinem Stellvertreter unser lieber Hans Flemming, Kaptänleutnant a. D. Hans von Schiller und unser Kamerad von der »Bodensee« Anton Wittemann.

In der Morgenfühe des 11. Oktober 1924 soll der Start erfolgen. Als Flemming das Schiff auswiegt, macht ihn eine rätselhafte Mehrbelastung stutzig. »Der Kahn ist hecklastig«, knurrt er und gibt Befehl, das Heck abzusuchen. Die handgreifliche Untersuchung fördert zwei Bekannte zutage: den Journalisten Weyer und den Filmoperateur Varges. ... Es wird ein Geschenk für das Luftschiff in der Halle abgegeben – ein Kanarienvogel ... Ariel Varges und sein Kollege Weyer triumphieren, sie haben ihre Sensation: »Der erste Vogel, der im Käfig über den Atlantik fliegt!«

aus: Ernst A. Lehmann und Leonhard Adelt: Auf Luftpatrouille und Weltfahrt: Erlebnisse eines Zeppelinführers in Krieg und Frieden. Berlin 1936

Am 12. April 2023 schrieb mich zuerst die Enkelin von Siegfried Dunbar Weyer an, die in Arizona lebt. Durch Sie erfuhr ich überhaupt erst die Vornamen des hier beschriebenen Journalisten, der mir zuvor aus der Literatur nur als S. D. Weyer bekannt war.

Es ergab sich als neue Erkenntnis für mich, dass
Siegfried Dunbar der
Sohn des Kapitänleutnants Bruno
Neffe des Kapitäns Franz
und Enkel des Mathematikers Georg Daniel Eduard Weyer
ist.

Der oben erwähnte Anruf kann 1937 so nicht stattgefunden haben, da Siegfried 1927 starb.
Zum anderen finden sich mit der genauen Namensangabe weitere interessante Geschichten:

aus: Greiz.de

Die Greizer Prinzessin an der Seite von Wilhelm II.

Die Greizer Prinzessin Hermine Reuss Aelterer Linie war die zweite Ehefrau des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. Mit ihm lebte sie knapp 20 Jahre isoliert im niederländischen Exil. Bis zu Wilhelms Tod hoffte sie, dass er auf den Thron zurückkehrt.

Von Ulrike Merkel

Anfang der Zwanzigerjahre verbreitet sich das Gerücht, der abgedankte und verwitwete Kaiser Wilhelm II. plane, die aus Greiz stammende Prinzessin Hermine (1887–1947) zu heiraten. Um die Wahrheit zu ergründen, bedient sich ein US-amerikanischer Reporter eines schier unglaublichen Tricks.

Hermine lebt damals als junge Witwe auf ihrem schlesischen Schloss Saabor im heutigen Ostpolen. Als gläubige Christin besucht sie sonntags regalmäßig die Schlosskapelle. Anfang September 1921 sei vor der Kapelle ein AEG-Kriegsdoppeldecker abgestürzt, sagt Sören Groß, Jenaer Mitglied der deutschlandweit aktiven Geschichts-Werkstatt Curriculum Vitae e. V. Wie durch ein Wunder seien der US-Korrespondent Siegfried Dunbar Weyer sowie der Pilot unverletzt geblieben. Zwei weitere Passagiere hätten allerdings medizinisch versorgt werden müssen. Hermine bietet daraufhin Ihre Hilfe an und lädt die Gruppe ins Schloss ein.

Hier hat Reporter Weyer nichts anderes zu tun, als nach Indizien zu suchen, die für eine Verlobung Hermines mit Wilhelm II. sprechen. Denn der Absturz war keineswegs ein Unfall mit glücklichem Ausgang, sondern dreist vorgetäuscht.

Als der Boulevardreporter schließlich ein Bild das Kaisers auf einem Klavier entdeckt, reicht ihm das als Beweis. Noch am selben Tag liefert er einen Enthüllungsbericht in die Heimat. „Auch die Berliner Zeitung publizierte damals: Der Kaiser hat sich verlobt. Des Kaisers Braut Samariterin“, erklärt Sören Groß.

Die Verbindung der 34-jährigen Prinzessin mit dem 63-jährigen Ex-Monarchen wird von der Öffentlichkeit mit Skepsis aufgenommen. Aber nicht nur der Altersunterschied von beinahe 30 Jahren wird beargwöhnt, Hermilne wird auch Macht- und Geltungssucht sowie Geldgier unterstellt...

aus: Christine von Brühl: Anmut im märkischen Sand. Die Frauen der Hohenzollern, S. 426–431

Im April 1921, etwa ein Jahr nach dem Tod von Hermines Mann, verstarb Auguste Victoria von Preußen im Exil in Doorn. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht in sämtlichen europäischen Adelshäusern. Auch Hermine muss sie erreicht haben, doch bei ihr löste sie eine unvorhergesehene Reaktion aus. Endlich war der Kaiser, der Mann, für den sie als Kind geschwärmt hatte, frei. Und wie vom Schicksal gefügt, hatte auch sie zu diesem Zeitpunkt keinen Mann mehr an ihrer Seite.
Wir werden nie erfahren, was genau Hermine trieb, doch sie begann offensichtlich, einen Plan zu schmieden. Wie könnte es ihr gelingen, Kontakt zu Wilhelm von Preußen aufzunehmen? Wie könnte sie unauffällig in sein persönliches Umfeld vordringen, ihn auf sich aufmerksam machen und gleichzeitig vornehm Distanz wahren, wie es sich für eine Frau ihrer Herkunft gebührt? Schließlich war es nicht irgendein Mann, dem sie sich nähern wollte. Wenn es mit der Monarchie auch vorbei war, für eine gebürtige Prinzessin Reuß war der Kaiser immer noch der Kaiser. Entsprechend respektvoll und standesgemäß hatte sie sich ihm gegenüber zu verhalten.
Doch vielleicht war es kein Kalkül, das Hermine trieb, vielleicht war es wahre Liebe und hat sich genau so zugetragen, wie sie es in ihren Memoiren später beschrieb. Vielleicht konnte sich ihr Zweitgeborener angesichts der Einsamkeit, in der sich seine Mutter nach dem Tod ihres Mannes oder auch er selbst nach dem Tod seines Vaters befand, tatsächlich in die Lage des Kaisers versetzen, und vielleicht verfasste er ganz und gar freiwillig einen Brief an Wilhelm. Fest steht, dass im Frühjahr 1922 ein Schreiben Doorn erreichte, in dem der dreizehnjährige Georg Wilhelm an Wilhelm von Preußen schrieb, wie leid er ihm täte: Ich finde es schrecklich, dass Du so allein bist.
Fest steht auch, dass Wilhelm gerührt gewesen sein muss, denn er ließ dem Jungen ein Foto mit seiner Unterschrift nach Saabor schicken. Und fest steht schließlich, dass er daraufhin einen Dankesbrief erhielt. Diesen jedoch hatte dann schon Hermine selbst verfasst. Die Korrespondenz, die sich daraufhin zwischen der der jungen Reußin und dem alten Herrn im Exil entspann, führte dazu, dass die Witwe Anfang Juni nach Doorn eingeladen wurde. Dankend nahm sie an und reiste in die Niederlande. Hermine war am Ziel.
Schon bei diesem ersten Wiedersehen handelte es sich nicht um ein gewöhnliches Zusammentreffen von alten, neuen Bekannten. Das zeigte allein Wilhelms Verhalten. Ungeduldig erwartete er die junge Dame, er hatte ihr zur Begrüßung an die Bahnstation einen Wagen entgegen schicken lassen, und empfing sie mit einem Strauß roter Rosen. Anschließend ordnete er an, mit Hermine allein speisen zu wollen, auch das eine Seltenheit unter den sorgsam sortierten und mit dem kaiserlichen Personal eigens abgesprochenen alltäglichen Ritualen. Im Haus Doorn folgte man selbstverständlich weiterhin dem gestrengen Regelwerk höfischer Etikette. Dieses Verhalten setzte sich in den nun folgenden Tagen fort. Wiederholt warf Wilhelm das gewohnte Zeremoniell über den Haufen und machte deutlich, dass er sich seinem Gast persönlich widmen wollte, am liebsten rund um die Uhr. Er befand sich offensichtlich in höchster Aufregung.
Hermine für ihren Teil sparte nicht an Gelegenheiten, ihm zu zeigen, dass sie bemüht und in der Lage war, den höfischen Gepflogenheiten zu entsprechen. Sie begrüßte Wilhelm mit Hofknicks, sprach ihn mit „Kaiserliche Hoheit“ an und erschien am ersten Abend zum Souper selbstverständlich in großer Robe. Von dem herrlichen schwarzen Kleid mit Schleppe und tiefem Ausschnitt, das sie nebst ihren ellenbogenlangen Handschuhen trug, sollte noch lang die Rede sein. Dabei konnte sie dank ihrer Erziehung und Erfahrungen, nicht zuletzt im Hause Baden, gewiss sein, dass diese Art der Aufmachung um diese Tageszeit an einem kaiserlichen Hof vollkommen adäquat und gleichzeitig höchst elegant war.
Der Hohenzoller schien sichtlich beeindruckt. Schon wenige Tage nach ihrer Ankunft war er vollkommen überzeugt: Hermine sollte seine zweite Frau werden. Ohne lange Vorrede trug er ihr seinen Antrag vor, und die Witwe schlug strahlend ein. Wer hätte gedacht, dass eine Reuß jemals die Aufmerksamkeit ausgerechnet eines Mitgliedes des Hauses Preußen gewinnen würde, die Tochter eines Fürsten, der sich dem Kaiserhaus derart beharrlich und andauernd widersetzt hatte. Doch Hermine dachte in diesem Moment sicher nicht an ihren Vater. Sie dachte nur an sich und an Wilhelm, den einstigen Kaiser. Ihr Mädchentraum war in Erfüllung gegangen. Sie schwebte.
Da seit dem Tod Auguste Victorias kaum ein Jahr vergangen war, beschlossen Wilhelm und Hermine, mit der Hochzeit noch ein paar Monate zu warten. Auch wollten sie ihren Kindern und der restlichen Verwandtschaft Gelegenheit lassen, sich mit der neuen Situation vertraut zu machen. Ein Brief aus dieser Zeit, den Hermine an Kronprinzessin Cecilie (1886–1954) schrieb, zeigt, wie ernst es den beiden damit war: »Ich habe mich zu diesem Schritt entschlossen, da wir uns beide innerlich gefunden haben, ich glaube, dass wir zusammen passen, und weiß, daß ich mein Möglichstes tun werde, um ihm sein unsagbar schweres Los zu erleichtern. Die Schwere meiner Aufgabe, die ich mir nicht ausgesucht, die an mich herangetreten ist, ist mir voll bewusst Euer Bedenken verstehe ich durchaus, ich bitte aber um das Vertrauen, dass ich mein Bestes geben werde und dass der Kaiser den Schritt nie bereuen soll... Dass Du auch in so gütiger Weise meiner Kinder gedenkst, danke ich Dir sehr. Gewiss ist es auch für sie schwer, sie hätten auch mich lieber allein. Sie lieben mich aber doch so sehr, dass sie mir das Glück gönnen. Der eine erst nach schweren Kämpfen.
Wilhelm begründete seine Entscheidung mit den Worten, er habe in Hermine eine Frau gefunden, die sich verlässlich ihren fünf Kindern widme und gleichzeitig drei Güter in Schlesien zu verwalten wisse. Das habe ihn maßlos beeindruckt. Auch wussten die Nachkommen des Kaiserhauses, dass sich seine erste Frau Auguste Victoria nichts sehnlicher gewünscht hatte, als dass Wilhelm wieder heirate. Lediglich an der Eile, mit der dieser Wunsch erfüllt wurde, stieß sich der ein oder andere.
Hermine konnte warten. Schwieriger war es für sie, in ihrer veränderten Situation mit einer relativ neuen und zunehmend erstarkenden Macht im Staat umzugehen: der Presse. Kaum hatten sich die Gerüchte um eine erneute Vermählung Wilhelm II. verdichtet, geriet Hermine auch schon in den Strudel der öffentlichen Berichterstattung. Kompliziert war für sie wie für viele andere Adlige auch, dass die Mitglieder regierender Häuser, nachdem der Kaiser abgedankt hatte, eigentlich zu Privatpersonen geworden waren und im Grunde offiziell gar nichts mehr zu sagen hatten. Sie waren darin auch keineswegs geübt.
Doch die Presse war gänzlich anderer Ansicht. Es schien, als sei der Adel gerade weil oder zumindest seitdem er offiziell abgeschafft worden war, zum besonderen Liebling von Fotografen und Reportern avanciert. Das würde sich in den folgenden Jahren noch verstärken. So gleichgültig wie aussagekräftig der eine oder andere Abkömmling einer alten Familie war – die Journalisten stürzten sich auf ihn wie Fliegen auf den Kuchen.
Hermine bekam das schon zu spüren, bevor sie mit Wilhelm verheiratet war. Mitten an einem friedlichen Morgen stürzte Anfang September 1921 gut zweihundert Meter von der Schlosskapelle in Saabor ein Flugzeug ab. Hermines Leute liefen gleich herbei und nahmen sich der beiden Insassen, Siegfried Dunbar Weyer und der Pilot Antonius Raab (1897–1985), an. Die Männer waren kaum verletzt, doch Hermine ließ sie selbstverständlich ins Haus bitten und einen Arzt rufen.
Die beiden aber hatten keinerlei medizinische Hilfe nötig. Der Absturz war fingiert. Weyer war Korrespondent des International News Service der amerikanischen Presse und hatte sich unauffällig Zugang zu Hermines Privaträumen verschaffen wollen. Prompt entdeckte er ein aktuelles Foto von Wilhelm II. im silbernen Rahmen, das im Salon in Schloss Saabor auf dem Klavier stand. Das war ihm Beweis genug. Er verabschiedete sich eiligst von der Prinzessin und verfasste sofort einen Sensationsbericht zur offenkundigen Neuverlobung des letzten Kaisers. Nach kurzer Zeit ging die Nachricht um die Welt und war in allen Zeitungen zu lesen. Selbstredend gelangte sie auch in die Schreibstuben deutscher, insbesondere Berliner Redakteure.

Als man in Doorn davon Kunde erhielt, suchte Wilhelm seine Familie und nicht zuletzt Hermine zu schützen und dementierte die Nachricht. Schließlich handelte es sich um eine Privatangelegenheit. Das wiederum erreichte auch Hermine und traf sie bis ins Mark. Hatte ihr Verlobter etwa die Absicht, von seinem Heiratsversprechen zurücktreten? Unter dem Druck der Öffentlichkeit gab Wilhelm schließlich klein bei. Eilig wurde die Verlobung bekanntgegeben, der Hochzeitstag auf den 5. November 1922 festgelegt.

Siegfried hat sich 1927 im Zug von Berlin nach Bremen nach einem Nervenzusammenbruch selbst getötet. Seine Frau zog anschließend mit ihren Kindern in die Vereinigten Staaten.

[Klick]aus: Borger Daily Herald (Borger, Tex.), Bd. 1, Nr. 127, Ed. 1, Mittwoch, 20. April 1927

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